„Sie sind ja gar keine richtige Doktorin.“

Medizin, Lifestyle, Medfluencer

Sagte neulich eine Patientin während der Visite in ihrem Patientenbett zu mir als Sie meinen Mitarbeiterausweis am Kittel hängen sah.
Ich bin seit über 9 Jahren Ärztin, Fachärztin für Innere Medizin und hatte bislang keinen Titel vor meinem Namen stehen.
Wie ich darauf reagierte? Ich antwortete: „Ich bin trotzdem ihre behandelnde Ärztin.“
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Ich erkläre euch meine Sicht der Dinge zur Notwendigkeit eines medizinischen Doktortitels (Dr.med.).
Er hat weder was mit der Kompetenz des Arztes, dessen Erfahrung oder der Qualität der Behandlung zu tun.
Zum Tragen einen Doktortitels ist eine wissenschaftliche Promotion notwendig, ein Ausweis einer eigenständigen wissenschaftlichen Leistung und ist oft die erste (und einzige) wissenschaftliche Arbeit, die ein Arzt je verfasst.
Zum einen kann die Arbeit an der Dissertation schon vor Studienende begonnen werden, zum anderen sind die Promotionen hinsichtlich Anspruch und Umfang oft eher Master- bzw. Diplomarbeiten anderer Fächer (z.B. Chemie/Biologie) zu vergleichen.
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In der Medizin promovieren ca. 63%, das sind jährlich 6300 MedizinerInnen laut Hochschulforschung CHE.
Gerade in Deutschland zählen Abschlüsse und Titel. In großen Kliniken wird man zum Beispiel keine Oberärztin/kein Oberarzt ohne Dr.med. d.h. nur mit einem Titel ist ein weiterer Aufstieg möglich. Eine Doktorarbeit ist auch der Einstieg zu weiteren Forschungen auf dem Weg zur Habilitation und Professur. Gehaltstechnisch macht zumindest der Dr.med. bei Tarifverträgen keinen Unterschied.
Die Patienten verstehen häufig nicht, dass der Doktor keine Berufsbezeichnung ist, sondern ein akademischer Grad, wird aber dennoch als Synonym für Arzt benutzt. Wir sind also nach dem Studium alle Ärzte und nur mit Promotion Doktoren.
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Ich habe mich entschlossen neben meiner täglichen ärztlichen Arbeit eine solche Dissertation anzufertigen.
Ob man als Arzt oder Ärztin einen Titel führen möchte, muss jeder für sich entscheiden. Um eine gute Ärztin oder ein guter Arzt zu sein, ist er jedenfalls nicht notwendig.